Ein- und zweiseitige Handelsgeschäfte → §§ 343-345 HGB >>


§§ 343-345 HGB legen die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften des HGB über Handelsgeschäfte fest. Danach ist erforderlich das Geschäft eines Kaufmanns im Rahmen seines Gewerbebetriebes, wobei die Zugehörigkeit des Geschäfts zum Handelsgewerbebetrieb gemäß § 344 HGB vermutet wird. Grundsätzlich reicht es für die Anwendbarkeit der Vorschriften über Handelsgeschäfte aus, dass es sich um ein sog. einseitiges Handelsgeschäft handelt, dass also das Rechtsgeschäft für einen der beiden Teile ein Handelsgeschäft ist (§ 345 HGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn in der jeweiligen Vorschrift etwas anderes gefordert ist, wie z. B. in §§ 353,369 ff.,377 ff. HGB.

Für Schuldscheine eines Kaufmanns verstärkt § 344 Abs. 2 HGB die Vermutung zugunsten eines Handelsgeschäfts noch: Sie kann nur aus der Urkunde selbst widerlegt werden. Dazu hat der Bundesgerichtshof 1997 eine interessante Entscheidung gefällt, in der es um die Bürgschaft eines Kaufmanns für seinen ein anderes Gewerbe betreibenden Schwiegersohns gegenüber dessen Bank ging. Der BGH hat in Leitsätzen dazu festgestellt, dass einerseits auch für eine Bürgschaftserklärung § 344 Abs. 2 HGB gilt, dass andererseits aber die Vermutung des § 344 Abs. 2 HGB nicht eingreift, wenn der Gläubiger wusste, dass der Bürge den Schuldschein nicht im Betrieb seines Handelsgewerbes unterzeichnet hat.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Schwiegervater das Bürgschaftsformular der klagenden Bank blanko unterschrieben. Der BGH hat sich dazu folgendermaßen geäußert:

„§ 350 HGB erfasst nur Verträge, die für den die Haftung übernehmenden Teil ein Handelsgeschäft darstellen, also zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 I HGB). Zwar ist lediglich ein mittelbarer, entfernter Zusammenhang mit dem Handelsgewerbe erforderlich. Es genügt, wenn das Geschäft in irgendeiner Weise dessen Gegenstand oder Zweck berührt (BGHZ 63, 32 [35]; BGH, NJW 1960, 1852 [1853]; WM 1976, 424 [425]). Im Streitfall fehlt es indes an einer entsprechenden Beziehung der Bürgschaft zur gewerblichen Tätigkeit des Bekl.. Die Verpflichtung wurde ausschließlich im Interesse des Schwiegersohnes übernommen. Sie betraf dessen einzelkaufmännisch geführten Betrieb, dem auf diese Weise die Durchführung eines Geschäftes ermöglicht werden sollte. Diente die Rechtshandlung des Kaufmanns somit in keiner Hinsicht dem eigenen Handelsgewerbe, sondern lediglich privaten Zwecken, konnte sie den Begriff des Handelsgeschäfts nicht erfüllen (vgl. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 343 Rn. 3, 15, 19 m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Bekl. zu diesem Zeitpunkt mit seinem Schwiegersohn bereits einen GmbH-Vertrag geschlossen hatte und beide planten, die Geschäfte des Zweitbekl. im Laufe der Zeit von der Gesellschaft weiterführen zu lassen. Soweit deren Geschäftstätigkeit betroffen ist, kommt die Kaufmannseigenschaft allein der juristischen Person zu, in deren Namen das Unternehmen betrieben wird, nicht den Gesellschaftern und Geschäftsführern (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 42). Entscheidend ist daher, dass der Bekl. als er die Bürgschaft erteilte, keinen Gewerbebetrieb im eigenen Namen führte, zu dem das Rechtsgeschäft einen sachlichen Bezug hatte. Der notwendige Zusammenhang mit dem eigenen Handelsgewerbe wird auch nicht durch § 344 II HGB hergestellt. Nach dieser Bestimmung gelten die von einem Kaufmann unterschriebenen Schuldscheine als im Betrieb seines Handelsgewerbes gezeichnet, sofern sich nicht aus der Urkunde das Gegenteil ergibt.
Der Begriff des Schuldscheins ist hier ebenso wie in §§ 371, 952 I BGB zu verstehen. Er erfasst jede vom Schuldner zum Zwecke des Beweises für das Bestehen einer Schuld unterzeichnete Urkunde, unabhängig davon, ob damit die Schuldverpflichtung bestätigt oder erst begründet werden sollte (RGZ 120, 86 [89]; BGH, WM 1976, 974 [975]; Ratz, in: Großkomm. z. HGB, § 344 Anm. 8; Schlegelberger/Hefermehl, § 344 Rn. 13). Daher gehört auch die Bürgschaftsurkunde zu den Schuldscheinen (RG, JW 1906, 87; Koller/Roth/Morek, HGB, § 344 Rn. 5; Schlegelberger/Hefermehl, § 344 Rn. 14).
Aus der Urkunde selbst ergibt sich nicht, dass die Bürgschaft nicht im Handelsbetrieb des Bekl. gezeichnet wurde. Trotzdem greift § 344 II HGB hier nicht zugunsten der Kl. ein. Die Vorschrift begründet eine beweisrechtliche Vermutung zu Lasten des Kaufmanns, wenn Zweifel bestehen, ob die übernommene Verpflichtung zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört. Da die Vermutung an einen bestimmten Rechtsschein anknüpft, bleibt für sie dort kein Raum, wo die maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind und der Empfänger der Erklärung gewusst hat, dass der Schuldschein nicht im Betrieb des Handelsgewerbes gezeichnet worden ist. Dazu bedarf es nicht des Rückgriffs auf § 242 BGB, den die bisher überwiegende Meinung in einem solchen Falle vornimmt (vgl. RGZ 56, 196 [198]; Ratz, § 344 Rn. 11; Schlegelberger/Hefermehl, § 344 Rn. 18; Baumbach/Hopt, HGB, § 344 Rn. 4). § 344 II HGB ist schon deshalb nicht anwendbar, weil diese Norm nach dem ihr innewohnenden Zweck nicht eingreift, wenn die Zeichnung des Schuldscheines unstreitig von vornherein keinen Vertrauenstatbestand begründete, der Vertragspartner nämlich den Sachverhalt kannte (vgl. auch ROHG 14, 282 [286f.]).
Die Kl. hat hier selbst vorgetragen, sie habe gewusst, dass es bei der Bürgschaft damals um die Stützung des vom Schwiegersohn geführten Unternehmens gegangen sei. Sie hat auch nach den Hinweis des Senats in der Annahmeentscheidung auf die neue Rechtsprechung zur Blancobürgschaft nicht geltend gemacht, sie könne zu diesem Punkt zusätzliche Tatsachen vortragen. Die übernommene Verpflichtung diente demnach lediglich privaten Belangen des Bekl.. Der Kl. waren die Umstände bekannt, die ein Handeln des Bekl. zu eigenen geschäftlichen Zwecken ausschlossen. Bedurfte die Bürgschaft somit der Form des § 766 S. 1 BGB, konnte der Bürge sie nicht in der Weise erteilen, dass er ein Formular blanco unterzeichnete und den Gläubiger mündlich ermächtigte, seine Erklärung zu vervollständigen. Das hat der Senat im Urteil vom 29.2.1996 (NJW 1996, 1467; z.T.best. in BGHZ 132, 119) eingehend begründet. An dieser Auffassung, die im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden hat (Bülow, ZIP 1996, 1694; Hadding, EWiR 1996, 785; Keim, NJW 1996, 2744; Medicus, WuB I F 1a Bürgschaft 11.96; Tiedtke, WiB 1996, 811; Westphalen, LM § 765 BGB Nr. 107), wird festgehalten. Da die Urkunde im Zeitpunkt der Unterzeichnung weder den Hauptschuldner noch die Höhe der gesicherten Verbindlichkeiten bezeichnet, ist die im vorgedruckten Text enthaltene, auf die Hauptschuld bezogene Zweckerklärung rechtlich bedeutungslos. Die Rechtsprechung des Senats soll gerade verhindern, dass später Streit darüber entsteht, ob die nachträgliche Ergänzung dem übereinstimmenden Parteiwillen entspricht und der Bürge eine Verbindlichkeit erfüllen muss, die ihm nie schriftlich vor Augen geführt wurde, deren Nichtbestehen er jedoch nicht zu beweisen vermag.“

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